Strafvollstreckung
Ein weiterer Aspekt der Tätigkeit eines Strafverteidigers ist die Strafvollstreckung. Aus verschiedenen Gründen ist dies ein oftmals stiefmütterliche behandeltes Gebiet. Dabei gilt auch hier, dass eine engagierte und frühzeitig beginnende Verteidigungsstrategie gute Erfolge bringen kann.
Strafvollstreckungsverteidigung setzt voraus, dass ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist und die verhängte Strafe vollstreckt wird oder vollstreckt werden soll. Dabei gibt es im wesentlichen zwei Themenfelder: Probleme innerhalb des Strafvollzugs, zum Beispiel durch unzumutbare Haftbedingungen oder dergleichen und die Frage der Strafvollstreckung im eigentlichen Sinne, insbesondere der Wunsch nach einer vorzeitigen Haftentlassung. Gerade für die Frage der vorzeitigen Entlassung, etwa nach Verbüßung der Halbstrafe oder von zwei Dritteln der Strafe gilt, dass man die Voraussetzungen hierfür zu Beginn der Haftzeit schaffen muss, wenn man von den gesetzlichen Regelungen profitieren möchte. Mitunter können die Weichen hierfür sogar schon während der Hauptverhandlung im eigentlichen Strafprozess gestellt werden.
Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen: Der Verurteilte ist wegen Beschaffungskriminalität im Zusammenhang mit einer Drogenerkrankung verurteilt, außerdem waren die Taten von erheblicher Gewalteinwirkung gegen die Opfer bestimmt. Nachdem zwei Drittel der verhängten Freiheitsstrafe von sechs Jahren vollstreckt sind, stellt er (selbst) einen Antrag, den Rest der Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Nach § 57 StGB ist das grundsätzlich möglich, wenn dargelegt werden kann, dass der Verurteilte durch den bisherigen Haftvollzug so beeindruckt (resozialisiert) ist, dass er keine neuen Straftaten begehen wird.
So weit so gut. So gut? Praktisch bestehen jetzt keinerlei Chancen mehr, wenige Wochen vor dem Anhörungstermin noch etwas zu regeln. Eine sinnvolle Strategie hätte darin bestanden, die ersten vier Jahre der Haftzeit zu nutzen, um therapeutische Maßnahmen wegen des Drogenproblems einzuleiten, an einem Anti-Aggressions-Training teilzunehmen, sich um eine Wohnung und Arbeit nach der Entlassung zu bemühen. Idealerweise wäre der Mandant durch diese Bemühungen bereits im offenen Vollzug, hätte sich also schon in gewisser Weise in Freiheit bewährt.
Alle diese Voraussetzungen hätte ein engagierter Verteidiger mit dem Verurteilten erörtern können und müssen, nachdem dieser die Haftstrafe angetreten hat - nicht erst kurz vor der gerichtlichen Anhörung.