Fachanwalt für Strafrecht

Seit 2003 bin ich berechtigt, den Titel eines Fachanwalts für Strafrecht zu führen. Mit dem Absolvieren des dazu notwendigen Kurses habe ich schon 1999, kurz nach meiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft begonnen, weil mir von Beginn meiner beruflichen Tätigkeit an klar war, dass ich mich auf den Bereich des Strafrechts spezialisieren wollte.

Nach einer Statistik der Bundesrechtsanwaltskammer gab es zum 1. Januar 2016 in Deutschland insgesamt 163.772 zugelassene Rechtsanwälte, darunter 53.649 (32,76%) Fachanwälte und insbesondere 3.542 Fachanwälte für Strafrecht (also 2,16% aller Rechtsanwälte und 6,6% aller Fachanwälte).

Wenn Sie das Fachanwaltswesen interessiert, habe ich für Sie in den nachfolgenden Abschnitten ein paar Einzelheiten zusammengetragen:

 

Grundlagen des Fachanwaltstitels

Nach § 43c Bundesrechtsanwaltsordnung in Verbindung mit § 1 Fachanwaltsordnung (FAO) kön­nen für bestimmte Rechtsgebiete die Berufsbezeichnung eines Fachanwalts eingeführt wer­den. Die Zahl der Fachanwaltschaften nimmt stetig zu: gegenwärtig gibt es schon über zwanzig verschiedene Fachanwaltstitel: zuletzt wurde im Oktober 2015 offensichtlich unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise der "Fachanwalt für Migrationsrecht" eingeführt.

Statistisch führt wohl ca. jeder vierte Anwalt einen oder mehrere Fachanwaltstitel; dabei ist die Gesamtzahl der Fachanwaltschaften, die ein einzelner Anwalt erwerben kann auf drei be­schränkt (§ 43c Abs. 1 BRAO).

Ein Fachanwalt muss seit mindestens drei Jahren in dem entsprechenden Rechtsgebiet praktisch tätig sein. Weitere Voraussetzung für den Erwerb eines Fachanwaltstitels ist der Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und praktischer Erfahrungen auf dem jeweiligen Rechtsgebiet. Einzelheiten sind in der Fachanwaltsordnung näher bestimmt.

Der Titel "Fachanwalt für Strafrecht" wurde im Jahr 1995 durch die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer eingeführt. Die besonderen theoretischen Kenntnisse, deren Nachweis der Rechtsanwalt in der Regel durch den Besuch eines Fachanwalts-Lehrganges und drei schriftliche Leistungskontrollen (Klausuren) nachweisen muss, sind in § 13 der Fachanwaltsordnung wie folgt bestimmt:

 

§ 13 Nachzuweisende besondere Kenntnisse im Strafrecht

Für das Fachgebiet Strafrecht sind besondere Kenntnisse nachzuweisen in den Bereichen:

1. Me­thodik und Recht der Strafverteidigung und Grundzüge der maßgeblichen Hilfs­wis­sen­schaf­ten,

2. materielles Strafrecht einschließlich Jugend-, Betäubungsmittel-, Verkehrs-, Wirt­schafts- und Steuerstrafrecht;

3. Straf­ver­fahrensrecht einschließlich Jugendstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren sowie Straf­voll­streckungs- und Strafvollzugsrecht.

Für den Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen bestimmt § 5 f) FAO, dass der Rechtsanwalt in den letzten drei Jahren vor Antragstellung mindestens 60 Fälle auf dem Gebiet des Strafrechts bearbeitet haben und dabei an mindestens 40 Hauptverhandlungstagen vor dem Schöffengericht oder einem höheren Gericht teilgenommen haben muss.

Schließlich ist die Fortbildungsverpflichtung der Fachanwälte ein wichtiges Kriterium, das gewährleisten soll, dass derjenige, der einen Fachanwaltstitel führt, sein Wissen auch stets auf dem aktuellen Stand der Rechtspraxis hält. Hierzu bestimmt die FAO:

 

§ 15 Fortbildung

Wer eine Fachanwaltsbezeichnung führt, muss jährlich auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren oder mindestens an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung dozierend oder hörend teilnehmen. Die Gesamtdauer der Fortbildung darf fünfzehn Zeitstunden nicht unterschreiten. Dies ist der Rechtsanwaltskammer unaufgefordert nachzuweisen.

 

Vom richtigen Umgang mit der Fachanwaltsbezeichnung

In der Praxis stellt die Einführung der Fachanwaltschaften aber nicht nur erhebliche An­for­de­run­gen an denjenigen, der einen Fachanwaltstitel erwerben oder führen will; auch der po­ten­tielle Mandant muss sich Gedanken darüber machen, was der jeweilige Fachanwaltstitel ei­gent­lich bedeutet. Ich erinnere mich an eine Begebenheit, als ein Fachanwalt für Fa­mi­lien­recht, mit dem ich damals zusammen arbeitete, einen Fall an mich weitergab, in dem der Man­dant - wie sich herausstellte zu Unrecht - des sexuellen Missbrauchs seiner Stieftochter be­zich­tigt wurde. Der Mandant hatte sich davon leiten lassen, dass der Vorwurf sich doch auf die Familie bezog und deswegen nach einem Fachanwalt für Familienrecht Ausschau gehalten; er ließ sich aber durch die zur großen Strafkammer erhobene Anklage doch davon überzeugen, dass es ein eher strafrechtliches Problem war …

Umgekehrt erzählte mir eine Bekannte einmal des langen und breiten, wie ungerecht sie in einem Verfahren wegen Verkehrsunfallflucht (korrekt: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, § 142 StGB) vor einem sächsischen Amtsgericht behandelt worden sei. Als ich sie fragte, warum sie mir das Problem nicht besser vor als nach dem Prozess geschildert hätte, weil ich dann vielleicht etwas für sie hätte tun können, erwiderte sie in hohem Maße erstaunt, ich sei dafür doch nicht zuständig, sie habe natürlich einen Fachanwalt für Verkehrsrecht gesucht und beauftragt.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: das Verkehrsstrafrecht, zu dem die Unfallflucht gehört, hat natürlich einen verkehrsrechtlichen Bezug. Es handelt sich aber dennoch um ein Strafverfahren, für das ich mich als Fachanwalt für Strafrecht nicht a priori unzuständig fühle …

Generell dürfte gelten, dass die Berechtigung zum Führen eines Fachanwaltstitels zwar einen Hin­weis auf die Spezialisierung des betreffenden Anwalts gibt, die sonstigen Kriterien, die bei der Auswahl des für Sie richtigen Rechtsanwalts zu beachten sind, aber nicht ersetzen kann. Per­sönliche Empfehlung und ein spürbares Vertrauensverhältnis sollten meiner Meinung nach die Entscheidung für oder gegen einen Rechtsanwalt bestimmen. Ansonsten: fragen Sie den An­walt nach seiner Spezialisierung und seinen Erfahrungen. Sollte er meinen, in Fällen, wie dem Ihren keine hinreichenden Erfahrungen zu haben, wird er Sie in der Regel offen darauf hin­weisen und meist auch einen Kollegen empfehlen können, der vergleichbare Fälle re­gel­mäßig bearbeitet.

 

Einzelfälle

Das Recht bewährt sich im Rechtsstreit. So ist auch die Fachanwaltsordnung immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen den Rechtsanwaltskammern und den Rechtsanwälten, die teilweise bis hin zum Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs ausgefochten werden. Einige dieser Fälle möchte ich hier kurz wiedergeben:

 

Steuerrecht: Gewichtung - Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. Februar 2019, Az. AnwZ (Brfg) 80/18

Insolvenzrecht: Was meint Vertretung? - Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 9. November 2018, Az. AnwZ (Brfg) 51/18

Medizinrecht: Inkasso zählt nicht - Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 9. November 2018, Az. AnwZ (Brfg) 51/18 und vom 7. März 2019, Az. AnwZ (Brfg) 67/18

Medizinrecht: Mensch oder Tier: Die Entscheidung. - Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2017, Az. Anwz (Brfg) 11/16

Fortbildungspflicht - Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Juli 2016, Az. AnwZ (Brfg) 46/13

Fortbildung durch eigene Publikation - Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Juni 2016, Az. AnwZ (Brfg) 10/15

Eine Frage des Prinzips - Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Juni 2016, Az. AnwZ (Brfg) 56/15

Medizinrecht: Mensch oder Tier? - Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. Mai 2016, Az. AnwZ (Brfg) 11/16