Ich habe eine Ladung zum Strafantritt erhalten!
Das Schreiben der zuständigen Staatsanwaltschaft, mit dem man aufgefordert wird, sich bis spätestens zu einem bestimmten Termin in einer bestimmten Justizvollzugsanstalt einzufinden, um dort seine Strafe abzusitzen, ist sicherlich eines der unangenehmsten Poststücke, das es gibt.
Wie auch bei den anderen Katastrophen im Strafrecht - Festnahme, Untersuchungshaft, Hausdurchsuchung - heißt es aber gerade jetzt, einen kühlen Kopf zu bewahren.
Grundsätzlich sind zwei Konstellationen denkbar:
1. Sie werden von er Post gänzlich überrascht oder
2. Sie wussten, dass das früher oder später passieren würde.
Im ersten Fall sollten Sie sofort Kontakt zu Ihrem Anwalt aufnehmen, um mit ihm zu besprechen, was eigentlich geschehen ist. Wenn Sie keinen Anwalt haben, wäre dies ein guter Zeitpunkt, um sich um einen solchen zu bemühen: Zwar wäre es besser, mit der Verteidigung vor statt nach dem Prozess zu beginnen, doch sollte auch der Weg, der jetzt vor Ihnen liegt, professionell beschritten werden.
Im zweiten Fall sind Sie hoffentlich schon mit Ihrem Anwalt erörtert, welche der jetzt noch möglichen Schritte ergriffen werden sollen.
Grundsätzlich sind zwischen der rechtskräftigen Verurteilung und dem Haftantritt folgende Schritte möglich:
- Sie können ein Gnadengesuch stellen oder durch Ihren Anwalt stellen lassen. Machen Sie sich hierüber aber nicht zu viele Illusionen. Dass eine Strafe im Wege der Begnadigung gänzlich erlassen oder zur Bewährung ausgesetzt wird, ist sehr selten und setzt in der Regel voraus, dass sich die Verhältnisse nach der Verurteilung entscheidend geändert haben.
- Sie können versuchen, Strafaufschub zu erwirken. Nach § 456 StPO kann dieser bis zu vier Monate gewährt werden. Bedenken Sie aber bitte, dass es in der Regel in vier Monaten genau so schwer ist, den Gang zur Justizvollzugsanstalt anzutreten, wie jetzt. Ein Antrag auf Strafaufschub sollte also nur gestellt werden, wenn es tatsächlich noch etwas gibt, was geregelt werden sollte, etwa eine Renovierung in der Familienwohnung, der Abschluss einer medizinischen Behandlung etc.
- Wenn Sie sich aus medizinischen Gründen für haftunfähig halten, teilen Sie dies so schnell wie möglich unter genauer Bezeichnung der Diagnose und der Behandlungsmöglichkeiten mit. Wenn etwa eine Operation bereits angesetzt ist, wird man Ihnen wahrscheinlich Strafaufschub bewilligen (s. o.). In anderen Fällen, insbesondere bei psychischen Erkrankungen kommt es darauf an, die Stichhaltigkeit der Argumentation frühzeitig zu prüfen. Merke: Eine Bescheinigung Ihres Hausarztes reicht hier nicht, kann aber die Grundlage für die amtsärztliche Untersuchung darstellen.
- Die weiteren Vorkehrungen, die Sie treffen können, sind eher organisatorischer als juristischer Art. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Angehörigen wissen, wie die Besuchsregelungen in der jeweiligen Vollzugsanstalt sind, wie diese gegebenenfalls mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden kann, etc. Wenn Sie medizinische Probleme haben, lassen Sie sich ein Attest Ihres Hausarztes geben. Der kann Ihnen zwar keine Haftunfähigkeit bescheinigen (s. o.), aber die Diskussion mit der medizinischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt über besondere Bedürfnisse, etwa wegen der Ernährung, ist viel leichter zu führen, wenn sie eine Bescheinigung eines Mediziners vorlegen können, als wenn Sie selbst über Ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen berichten.
Eines ist in jedem Falle wichtig: Lassen Sie den Termin zum Strafantritt nicht verstreichen, sondern stellen Sie sich der Situation. Natürlich sieht es so aus, als ob jetzt alles gleichgültig wäre, aber das stimmt nicht. Wenn Sie als sogenannter "Selbststeller" die Haft antreten, ist es viel leichter, Lockerungen zu erstreiten, als wenn Sie festgenommen und in die Haft überführt werden müssen. Nutzen Sie auch die Zeit, um mit Ihrem Verteidiger zu besprechen, wie die Verteidigung in der [Strafvollstreckung] sinnvoll gestaltet werden kann. Keine Frage: Die Situation bei Haftbeginn ist nicht rosig und wirklich angenehm wird die nächste Zeit nicht werden. Es gibt aber viele Fehler, die man jetzt vermeiden kann und es lohnt sich, darüber nachzudenken.