Wann und wie bekomme ich einen Pflichtverteidiger?

Wenn Sie das Honorar für einen Verteidiger nicht aufbringen können, ist die Pflichtverteidigung oftmals der einzige Weg, wie Sie zu einem Verteidiger gelangen können. Anders als in Fällen der Prozesskostenhilfe reicht aber die Bedürftigkeit allein für eine Beiordnung nicht aus. Ein Pflichtverteidiger wird nämlich nicht etwa dann bestellt, wenn der Angeklagte sich keinen Verteidiger leisten kann, sondern dann, wenn ein Fall der sogenannten "notwendigen Verteidigung" vorliegt, wenn der Angeklagte also einen Verteidiger braucht, weil er sich nicht selbst verteidigen kann. Das führt dazu, dass auch einem sehr vermögenden Angeklagten ein Pflichtverteidiger bestellt werden muss, wenn einerseits ein Fall der "notwendigen Verteidigung" gegeben ist, andererseits der Angeklagte aber keinen eigenen Verteidiger präsentiert.

 

Zusammenfassung für eilige Leser:

Wenn Sie Bedenken wegen der Bezahlung Ihres Verteidigers haben, sprechen Sie den Anwalt Ihrer Wahl offen darauf an und überlassen es ihm, zu eruieren, ob durch die Inanspruchnahme der Pflichtverteidigung eine Lösung gefunden werden kann.

Wenn Sie unverhofft einen Verteidiger brauchen und das Gericht Ihnen anbietet, einen Pflichtverteidiger zu benennen, beantragen Sie eine Überlegungsfrist und suchen selbst nach einem Verteidiger, der im Strafrecht erfahren ist und von dem Sie den Eindruck gewonnen haben, dass Sie vertrauensvoll mit ihm zusammenarbeiten können.

 

Nach dieser groben Zusammenfassung nun eine etwas ausführlichere Darstellung:

 

Wann liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor?

Das Gesetz kennt hier eine Reihe von Fällen, die im einzelnen in § 140 Abs. 1 StPO genannt sind. Die praktisch wichtigsten dürften sein:

a) Das Verfahren findet erstinstanzlich vor einem Landgericht oder einem Oberlandesgericht statt;

b) Der Tatvorwurf ist ein Verbrechen (Verbrechen sind nach § 12 Abs. 1 StGB Taten, für die das Gesetz eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe vorsieht);

c) Gegen den Beschuldigten wird die Untersuchungshaft angeordnet;

d) Der Beschuldigte befindet sich seit mindestens drei Monaten in Haft oder einem vergleichbaren Gewahrsam.

Daneben benennt § 140 Abs. 2 StPO noch zwei allgemeine Klauseln als Kriterium für die notwendige Verteidigung: Die Schwere der Tat und die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage.

 

Was geschieht im Falle einer notwendigen Verteidigung?

Wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben ist, muss das Gericht spätestens mit Zulassung der Anklage auch einen Verteidiger bestellen. Hier kommen wiederum zwei Konstellationen in Betracht: der Beschuldigte benennt selbst einen Anwalt, der ihm als Pflichtverteidiger beigeordnet werden soll oder das Gericht ordnet dem Beschuldigten von Amts wegen einen Verteidiger bei.

Wenn Sie selbst einen Verteidiger benennen können, ergeben sich keine Probleme. Auf eine entsprechende Beiordnung hin wird der Anwalt Ihres Vertrauens auch Ihr Pflichtverteidiger sein. Falls Sie wünschen, dass ich Ihren Fall auf der Grundlage einer Pflichtverteidigung übernehmen soll, würde ich die entsprechenden Anträge natürlich selbst für Sie stellen.

Schwieriger werden die Dinge, wenn das Gericht einen Anwalt für Sie auswählen soll. Zunächst gilt: Das Gericht muss Sie vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers fragen, ob Sie selbst einen Verteidiger benennen wollen (s. o.). Tun Sie dies nicht, stehen Sie allein in der Hand des Gerichts. Auf diese Situation sollten Sie es nicht ankommen lassen.

Sicherlich: das Gericht wird Ihnen im Regelfall niemanden beiordnen, von dem es weiß, dass er seine Arbeit nicht gut machen wird.

Der Richter wird aber nach meiner Erfahrung zumeist auch niemanden beiordnen, von dem er weiß, dass der Anwalt stark beschäftigt ist und Terminabsprachen deshalb nicht einfach werden. Das wäre gut nachvollziehbar, aber ist nicht gerade ein gut beschäftigter Anwalt der, den Sie in Anspruch nehmen möchten, weil dies für Erfahrung und beruflichen Erfolg spricht? Vielleicht wird der Richter auch einen Anfänger durch die Vergabe von Pflichtverteidigungen fördern wollen. Ein achtbares Motiv, aber soll der besagte Anfänger seine Erfahrungen gerade in Ihrem Fall sammeln? Kurzum: Verteidigung ist Vertrauenssache und die Frage, wem Sie Ihr Vertrauen schenken wollen, sollten Sie nicht ausgerechnet dem Richter, der Sie gegebenenfalls verurteilen will, überlassen, die Person zu bestimmen, die Sie verteidigt.

Auf eine Frage des Gerichts sollten Sie deshalb - wenn Sie noch keinen Verteidiger haben, den Sie benennen können - immer beantragen, dass Sie eine Frist bekommen, innerhalb derer Sie einen Verteidiger benennen werden. Strafverfahren sind in aller Regel eine sehr ernste Angelegenheit. Da lohnt es sich, bei der Auswahl auch des Pflichtverteidigers vorsichtig zu sein.